Flugzeug-Schallbilder aus Berlin-Tegel

Überflüge vom 12. Nov. 2002

Auf Anregung der Bild-Zeitung gelangen am 12.11.2002 einige Flugzeugaufnahmen in der Einflugschneise vom Flughafen Berlin-Tegel (TXL), siehe Bild-Zeitung vom 13.11.2002, S.7, (Link). Sie zeigen einige Besonderheiten der Lärmemissionen von Flugzeugen.

Anlaß war eine Anfrage von Frau Uta Stiller, ob wir Flugzeuge mit der akustischen Kamera photographieren könnten. Es entstand eine besondere Herausforderung: Wir hatten noch keine fliegenden Flugzeuge analysiert, und die Aufnahmen sollten gleich am nächsten Tag erfolgen. Andererseits erschien die Bildzeitung als Initiator mit einer Auflage von 23 Millionen Exemplaren nicht ganz ungefährlich, sollte etwas schiefgehen. Dennoch willigte ich ein.

Leider gerieten die Bilder für den Beitrag dann unter Zeitnot. Als gegen 12 Uhr Mittags das allererste akustische Bild entwickelt war, verabschiedeten sich Reporterin und Fotograf. Der Beitrag sollte am nächsten Tag in der Zeitung erscheinen. Wir machten indes weiter.

Die Ergebnisse dieser Messungen sind bis heute recht interessant, obwohl die Meßzeit sehr begrenzt war, kaum Zeit für die Auswertung zur Verfügung stand und keinerlei Vorkenntnisse vorhanden waren.

Interessant sind insbesondere die starken Unsymmetrien in der Schallabstrahlung bei schräger Beobachtung, wie auch die besondere Emissionsverteilung.

Da Aufnahmen spezialisierter Fachkollegen bislang einen anderen Eindruck vermittelt hatten, erschien mir eine nachträgliche Veröffentlichung verpflichtend, auch wenn die Daten aus Zeitmangel erst 2006 hochgeladen werden konnten.

Meßgeräte

Einige Aufnahmen sind mit A-Bewertung gefiltert, um insbesondere die für unsere Ohren lästigen Details im Bereich von 1 bis 2 kHz herauszuarbeiten. Tiefere Frequenzbereiche ergeben einen geringeren Bildkontrast. Frequenzen oberhalb von 4 kHz führen mit den Toleranzen des großen Arrays zu starkem Aliasing.

Alle Aufnahmen erfolgten in der Nähe des Kurt-Schumacher-Platzes beim Landeanflug in Westrichtung.

Besonderes Problem bei Live-Aufnahmen ist das Fehlen der genauen Entfernung zum Objekt. Da akustische Bilder bei falsch gewählter Entfernung zoomen, kann man nur probieren, bis Video und akustische Karte zur Deckung kommen. Da die akustische Kamera nur jeweils ein Photo der Szene macht, erreicht man die besten Ergebnisse, indem die Bilder zunächst als Movie gerechnet werden (Bildrate 25 Hz ~ 40 ms, Bildüberlappung 1...3). Dann schiebt man den akustischen Film auf Deckung mit dem Photo. Als Deckungsmarke konnten Triebwerksabstand, Fahrwerksschächte oder andere typische Schallmarken benutzt werden.

Aufnahmen mit der Propellermaschine entstanden auch als Line-Scan. Vorteil ist die höhere Detailgüte gegenüber dem Movie, Nachteil ist ein höherer Probieraufwand, ehe man den richtigen Anfang, den richtigen Integrationsbereich, die richtige Geschwindigkeit des Objekts und den richtigen Abstand gefunden hat, um ein deckendes Bild zu erhalten.

Aufnahmen

Vom Parkdeck am Kurt-Schumacher-Platz

Die Problematik sehr weiter Entfernungen und genau abgepasster Aufnahmen machen diese Fotos deutlich:


Bild links: Anflug eines Düsen-Jets; rechts einer Propellermaschine.

Zoomt man hinein, entstehen mit Kantenextraktion folgende Bilder.


Im Ansatz ist hier eine asymmetrische Schallverteilung an der Unterseite der Maschine zu erkennen. Details können allerdings auch in hohen Frequenzbereichen nicht mehr herausgeholt werden.


Die Propellermaschine ist noch in zu weiter Entfernung (dBA, 40 ms).

Da es Ärger mit dem Wachpersonal gab, mußten die Aufnahmen auf dem Parkdeck abgebrochen werden. An der Landebahn in der Meteorstrasse entstanden weitere Aufnahmen.

Zaungäste in der Meteor-Strasse

Um den landenden Flugzeugen näher zu kommen, stellten wir uns direkt an den Zaun des Flughafens.

Erste Aufnahmen in Richtung Landebahn zeigen fast punktförmige Emissionen. Leider besaß NoiseImage noch keine Möglichkeit, einen (optischen) Referenzfilm zu machen, sodaß nur auf das Foto kartiert werden konnte.



Bewertung nach dBA. Integrationszeit 80 ms. Siehe auch das Movie (25 f/s, 80 ms pro Bild) darüber.


Integrationszeit 150 ms, HP 4 kHz. Auch bei Hochpassfilterung sind die zwei Triebwerksemissionen nicht zu trennen.

Für folgende Aufnahmen wurde das Array senkrecht nach oben gerichtet. Gewisse Probleme mit Bodenreflektionen waren zu befürchten, da das verwendete Stern-Array nur eine Rückwärtsdämpfung von bis zu 21 dB besitzt. In manchen Movies (nicht dargestellt) sind schwache, schattenartige Strukturen vorhanden, die jeweils abwärts der Senkrechten liegen und die auf schwache Bodenreflektionen hindeuten könnten.

Bild des verwendeten Stern-Arrays. Um hohe Rückwärtsdämpfung zu erreichen, sind die Mikrophone nicht in einer Ebene angeordnet.

Es wurden verschiedene Überflüge beobachtet, die allerdings nicht dem Flugplan zugeordnet werden konnten. Einen Empfänger für den Flugverkehr mit dem Tower besaßen wir nicht.
Folgender Überflug (vermutlich handelt es sich um eine Boing 737) zeigt Details bei seitlich versetzter Betrachtung. Man beachte die asymmetrische Schallabstrahlung der Triebwerke.


A-bewertet zeigt das Bild einen Ausschnitt von 40 ms, der zutreffend erscheint. Im darunterliegenden Film sind die Einzelbilder nacheinander dargestellt (100i/s, 40 ms pro Bild, dBA). Aufgrund recht kurzer Integrationszeit wirken die Bilder zerrissen (Grenzwellenzahl unterschritten).

Schwach erkennt man auch die Emission des Vorderrades bzw. des vorderen Fahrwerksschachtes. Zeitweise sind am linken Triebwerk zwei Emissionen vorn und hinten zu sehen. Das rechte Triebwerk emittiert weniger stark. Da auch bei anderen Aufnahmen eine solche Unsymmetrie zu erkennen ist, ist anzunehmen, daß die radialen Ortskurven der Triebwerke nicht kreisförmig verlaufen, sondern daß die Triebwerke nach unten/außen mehr abstrahlen, als nach unten/innen. Die Triebwerke liefen im Landeanflug gedrosselt.

(Klang ohne Frequenzbewertung).


Gleiches Bild mit Δ=3dB wie darüber ohne Kantenextraktion.


Terzbandanalyse

Eine Spektralanalyse zeigt die Schallemissionen in Terzzuordnung. Bei eingeschränktem Kontrast (2dB) lassen sich die Maxima im Bereich der Terzen zwischen 500 Hz und 12500 Hz zweifelsfrei zuordnen. Unterhalb von 500 Hz haben die Bilder eine zu kurze Integrationszeit (40 ms), die Bilder kartieren dadurch falsch (nicht dargestellt). Es ergibt sich eine Grenzwellenzahl g = Integrationszeit mal Grenzfrequenz = 40 ms * 500 Hz = 20, d.h. auch hier ist pro Bild über mindestens 20 Wellen zu integrieren (NoiseImage FFT-Red Bar: min. number of waves in window = 20). Interessant ist das 2 kHz-Terzbild: Man erkennt den vorderen Fahrwerksschacht als stärkste Emissionsquelle.











Standortkorrektur in der Meteorstraße

Nach Korrektur des Standortes direkt unter die Fluglinie gelangen zwei tolle, symmetrische Aufnahmen.


Bild in A-Bewertung (Filmausschnitt 25i/s, 80 ms). Man erkennt das Hauptfahrwerk bzw. die geöffneten Fahrwerksschächte sowie die rückwärtige Emission der Triebwerke.


Gleiches Bild kantenextrahiert.

Ein besonderes Glanzlicht stellt folgende Aufnahme einer Turboprop-Maschine (vermutlich handelte es sich um eine SAAB 2000) dar, bei der im Movie eine sporadische, kleine Emission seitlich rechts am Rumpf zu erkennen ist. Gut sind die Emissionen der Turbinen zu erkennen. Die Propeller drehen in Flugrichtung im Uhrzeigersinn.

Ausschnitt aus einem Film in A-Bewertung. Ermittelte Geschwindigkeit: 250 km/h, Höhe 50 Meter. Linescan im Bereich von 10° bis 20° über eine halbe Sekunde erbrachte ähnliche Ergebnisse. Linescan verstärkt die einseitige Rumpf-Emission. Es entstand die Frage, worum es sich hierbei handeln könnte.

Gehen wir davon aus, daß sich beide Propeller in Flugrichtung im Uhrzeigersinn drehen, so wirft jedes Blatt des rechten Propellers eine kleine Druckwelle an die Rumpfunterseite. Diese wird offenbar so deutlich zu uns nach unten reflektiert, daß man sie mit der akustischen Kamera noch sichtbar machen kann. Der linke Propeller hingegen läuft unten auswärts.

Fazit

Mit der Messung konnte gezeigt werden, daß sich die Konstruktion des Star36 Arrays auch bei senkrechtem Betrieb und unter schwierigen Bedingungen im mobilen Einsatz bewährt. Bodenreflektionen stören im Frequenzbereich zwischen 500 Hz und 5 kHz nicht maßgeblich.

Damit steht für die Lärmforschung der Luftfahrtindustrie eine Technik zur Verfügung, mit der zuverlässig und schnell akustische Analysen durchgeführt werden können.

Um mehr über reale Schallemissionen von Flugzeugen zu erfahren, sind Überflugstests offenbar recht nützlich.

G. Heinz


info@gheinz.de

Aufnahmen vom 12.11.2002; Bilder und Filme vom 12.11.2002;
Bericht hochgeladen 2006
Layout handygerecht gestaltet; Filme in MP4-Format konvertiert 18.2.2023

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