Innenraumakustik Der Konsument beurteilt die Qualität und Eigenschaft eines Autos - vielfach unbewusst - immer öfter mit dem Gehör. Mit grossem Aufwand suchen die Hersteller nach dem optimalen Klangbild im Innenraum, vom Ansaug- und Auspuffgeräusch bis zum Surren des Scheibenhebermotors. Letzter Schrei in der Akustikabteilung: eine Kamera, die nicht nur sehen, sondern auch hören kann. |
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Das Klangbild ist definiert, bevor ein Stück Hardware produziert wird. |
Testpersonen beurteilenDie Hersteller lassen die so simulierten Innenraumgeräusche vielfach von Testpersonen beurteilen, die Verschmelzung von physikalischen Messdaten und subjektivem Hörempfinden wird so perfektioniert. Verblüffend ist die Tatsache, dass dies nicht etwa in einer Prototypphase, sondern ganz zu Beginn der Fahrzeugentwicklung geschieht. Im Lastenheft steht also auch ein ganz bestimmter, zum Fahrzeug passender Sound, meist definiert von der Marketingabteilung. Ein Ferrari darf schliesslich nicht nach Daewoo, ein Vierzylinder nicht nach Zwölfzylinder klingen.Die Geräuschanteile von Ansaug- und Abgasanlage, die Übertragungsfunktionen von Körperschall (z. B Aggregatlager) und Luftschall (z. B Hohlräume) in den Innenraum werden mit komplexen Berechnungsmodellen simuliert.
Überlappung des optischen und des akustischen Abbildes.
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Akustische KameraFür einen regelrechten Aufruhr in der Akustikbranche sorgte kürzlich die erste kommerzialisierte Version der so genannten «akustischen Kamera» der Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik (GFaI) in Berlin. Das Prinzip ist schnell erklärt: Eine Videokamera filmt das schallerzeugende Objekt, während gleichzeitig eine bestimmte Anordnung von Mikrofonen (Array) die emittierten Schallwellen örtlich präzis registriert. Das akustische und optische Abbild wird anschliessend überlagert. Somit kann eruiert werden, welcher Teil des gefilmten Objektes wie viel Lärm in welchem Frequenzspektrum abstrahlt.Die Vorteile des Systems liegen einerseits in der Anschaulichkeit der akustischen Abstrahlungsvorgänge - eine unerwünschte Schallquelle kann direkt anhand der Abbildung des Objekts geortet werden -, anderseits in der massiven Vereinfachung des Messaufwandes. Ausserdem scheint das Anwendungsspektrum schier unbegrenzt zu sein: Neben einem 1,5-MW-Windkraftwerk mit Rotorblättern von 70 m Durchmesser wurde bisher auch ein elektrischer Funkenschlag von 8 mm Länge erfolgreich «akustisch gefilmt».
Breites Spektrum Das bisher grösste von der akustischen Kamera erfasste Messobjekt: Ein 1,5-MW-Windkraftwerk mit Rotorblättern von 70 m DurchmesserRätselhaftes «Knacken»Das grosse Medienecho rund um die Entwicklung von Gerd Heinz und seines sechsköpfigen Teams der GFaI liess auch die Automobilindustrie nicht kalt.Porsche beispielsweise verfolgte laufend den Fortschritt und stellte Messobjekte zur Verfügung, bis schliesslich im Sommer dieses Jahres zwei Geräte gekauft wurden. In Weissach ist man von dieser Lösung überzeugt: «Bisher mussten die Mikros im akustischen Nahfeld des Objektes aufgestellt werden, was bei einem Motor auf dem Prüfstand einigen Zentimetern entspricht - neben einem 700 °C heissen Auspuff keine einfache Sache», so Siegfried Mayer von Porsche. Die Kamera und die 32 Mikrofone in kugelförmiger Anordnung hingegen lassen sich irgendwo im Raum aufstellen. |
Die Vorgänge können auch in einer Art Film beobachtet werden. Die Kamera schiesst je nach Anwendung bis zu 192.000 Bilder pro Sekunde. Ein rätselhaftes «Knacken» in neuen Karosserieblechen des Heckbereichs konnte im Hause Porsche auf diese Weise jedenfalls bereits analysiert werden: Die Bildfolge zeigte die Schallquelle und den weiteren Verlauf des Geräuschs im Heckblech deutlich auf (siehe Bild). Kugelförmige Mikrofonanordnung für die 360°-Aufnahme (mit Entwickler Gerd Heinz), Überlagerung der Resultate auf eine 3D-Innenraumsimulation im Bild darüberSchwierige Interpretation. Doch Messen ist eine Sache, die Interpretation der Resultate eine andere, denn da ist meist viel Erfahrung gefragt. Wie alle Teilgebiete aus der Schwingungstechnik unterliegt auch der Schall den Phänomenen von Wellenreflektion, -beugung oder -bündelung. Das heisst, der Strahlungsverursacher ist nicht immer der Strahler selbst. Im Falle des erwähnten Heckblechs lag die Ursache des Geräuschs in Lackbrücken zwischen zwei Blechen, welche - einmal «geknackt» - wieder für Ruhe sorgten. Die Teile werden jetzt geklebt. Die akustische Kamera könne allerdings meist nur zur Bestimmung von Oberflächenabstrahlungen von Körpern zuverlässig eingesetzt werden, so die Meinung in Weissach. Für die Bestimmung von Übertragungsfunktionen von einem Bauteil auf den andern sind andere Analysemethoden weiterhin unumgänglich. 3D-InnenraumsimulationDas Kugel-Array ermöglicht auch 360°-Messungen in abgeschlossenen Räumen, wie etwa im Passagierbereich einer Fahrzeugkarosserie. Mit einer sphärischen Betrachtung der Dinge kann die Optik natürlich nicht mehr mithalten; die gemessenen Schallpegel werden statt auf ein Videobild auf eine simulierte 3D-Innenraumlandschaft «gelegt».Angeregt wird die Karosseriestruktur auf einem Hydropulser - einer 4-Stempel-Anlage, wo die Fahrzeugkarosserie an den vier Aufstandspunkten der Räder einzeln belastet werden kann. Von jedem Bauteil im Interieur kann so bei bestimmten Anregungen nicht nur die Geräuschabstrahlung bestimmt, sondern auch beobachtet werden, wann ein Objekt im In- nenraum auf Grund welcher Belastung der Karosserie wie lange und in welchem Frequenzspektrum lärmt. Zur Synchronisation des Gesamtorchesters ist dies ein wahrhaft hilfreiches Werkzeug. - gekürzt - |