Kamera sieht Lärm
von Galileo, Bearbeitung: Josef P. Glanz, 21.01.2000
Morgens um 6 Uhr fangen die Bauarbeiter an. Um acht das erste Flugzeug über dem Haus. Und schnell mit dem Auto zum Termin. Immer Lärm - jeden Tag Lärm. Mit Lärm folterten im Mittelalter die chinesischen Kaiser ihre Gefangenen zu Tode - und heute foltert der Lärm die Menschen, ganz ohne Kaiser. Lärm ist immer da - und niemand kann gegen ihn etwas tun. 
Niemand? Der Berliner Forscher Dr. Gerd Heinz hat eine Lärmkamera erfunden. Sie fotografiert nicht nur Bilder, ihre Sensoren fotografieren auch Geräusche. Die Farbe Rot zeigt eine besonders laute Quelle. Und das sind oft ganz andere Gegenstände als wir glauben: 
Dr. Gerd Heinz, Lärmforscher: "Lärm kann sehr oft eine Sinnestäuschung sein, wenn wir diese Bohrmaschine sehen, dann haben wir das Gefühl, daß der Lärm aus der Bohrmaschine kommt. Wenn wir aber die akustische Kamera nehmen, dann stellen wir fest, daß der Lärm aus der Tischplatte kommt. Daß heißt die Bohrmaschine regt die Tischplatte zum Schwingen an, und die Tischplatte macht dann eigentlich den Lärm." 
Die Tischplatte muß also gedämpft werden - nicht der Bohrer. 
Noch ein Beispiel: Diese Straßenbahn ist laut. Niemand weiß so recht warum. Die Ohren der Techniker orten die Lärmquelle nicht. Wochenlang suchen sie den Fehler.Für die Lärmkamera kein Problem. Ein Foto genügt - und Gerd Heinz weiß, woher der Lärm kommt. 
Dr. Gerd Heinz: "Wir haben diese Straßenbahn fotografiert, wir konnten dann feststellen, daß dort einzelne Drehgestelle zu laut waren. Und die Techniker wußten dann genau wo sie suchen sollten." 
Und so funktioniert die Kamera: 26 hochempfindliche Mikrophone messen die Geräusche aus allen Richtungen. In der Mitte: das Objektiv einer ganz normalen Kamera. Sie macht ein gewöhnliches Foto. Die Mikrofone messen den Lärm. Weil er aus unterschiedlichen Richtungen kommt, messen sie ihn unterschiedlich stark. Der Computer setzt aus den Meßwerten und dem Kamerabild das sogenannte Lärmbild zusammen. Und das ist selbst für Lärmforscher immer überraschend: Nur so können sie den Lärm richtig orten. 
Was der Mensch ohne Hilfsmittel nicht kann, können Delphine und Wale schon seit Jahrtausenden. Sie senden Schallwellen aus und die Umgebung reflektiert sie zurück. So hört ein Delphin seine Umgebung mehr, als er sie sehen kann. Unterschiedlich weit entfernte Dinge klingen anders als nahe, und Fische reflektieren die Schallwellen anders ein Schiff. 

So ein eingebautes Schallwellenradar ist beneidenswert. Das Computerprogramm von Dr. Heinz macht die Menschen quasi zu Delphinen. Mit seiner Hilfe können jetzt auch wir akustisch sehen. Eine Revolution, deren Folgen wir bald hören können.

Dr. Gerd Heinz: "Wenn es heute noch viele laute Dinge gibt, denken wir an Fahrzeuge, denken wir an Haushaltsgeräte, denken wir an Preßlufthammer, dann liegt das oft daran, daß es unerschwinglich teuer ist, diese Dinge leiser zu machen." 

Die Kamera von Gerd Heinz rückt dem Lärm zuleibe - schnell und preiswert. Und genau deshalb kann sie uns helfen, in Zukunft ein wenig ruhiger zu leben. 

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