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Zweidimensionale Wellen

Gerd Heinz

Tauschen wir nun Sample gegen Pixel. Prinzipiell ändert sich nur die Berechnung der Abstände.

Zweidimensionale Wellen im Euklidischen Raum

Lauschen wir an Leitbahnen eines Interferenznetzes, so interessieren zweierlei Dinge. Erstens kann interessieren, welcher Empfänger adressiert ist (spiegelnde Interferenz-Projektion). Zweitens kann interessieren, von welchem Sender ein Signal kam (ungespiegelte I.-Rekonstruktion, Akustische Kamera, inverse Zeit oder Verzögerung). Beide Aufgaben unterscheiden sich nur durch ein Vorzeichen. Die Bilder zeigen zweidimensionale Wellen der Projektion (Typ f(t-T)) und Rekonstruktion (Typ f(t+T)). Das Vorzeichen (siehe darunterliegende Scilab-Quellen) entscheidet über auswärts oder einwärts laufende Wellen. Im rechten Bild ist jeweils die Entwicklung des (numerischen) Interferenzintegrals dargestellt.


Bild 1a: Typ f(t-T)
Links: Welle der spiegelverkehrten Interferenz-Projektion mit vorwärts laufenden Wellen (Optik, Nervensystem). Die Wellenfront erscheint gelb, der Wellenschwanz blau. Rechts: Interferenzintegral.


Bild 1b: Typ f(t+T) Links: Rückwärts (oder einwärts) laufende Welle der seitenrichtigen Interferenz-Rekonstruktion (Akustische Kamera). Die Wellenfront erscheint gelb, der Wellenschwanz blau. Rechts: Interferenzintegral.

Beide Interferenzintegrale wurden multiplikativ (jeweils das rechte Bild) berechnet. Maxima entstehen dort, wo sich die Wellen begegnen.

Bild 1a zeigt ein "natürliches" Wellenfeld, wie es bei der Interferenzprojektion (mit vorwärtslaufender Zeit) im Detektorfeld auftritt.

Bild 1b zeigt ein zeitlich invertiertes Wellenfeld, wie es bei der Interferenzrekonstruktion (mit inverser Zeit) des Generatorfeldes erscheint. Dieses läuft nicht nur einwärts, auch liegt der Schweif (dunkelblau dargestellt) auf der Außenseite der Welle. Vergleich mit eindimensionalen Bildern zeigt, daß es sich bei (1) um eine Form welle(vt-r) und bei (2) um eine Form welle(vt+r) handelt (Substitution x gegen r).

Zur Aussage: Die Höhe einer Welle und damit der Wert des Interferenzintegrales ist lokal genau dort am höchsten, wo sich viele Wellen treffen. Genau dort wird ein Bildpunkt stärker "belichtet", als in der Nachbarschaft. (Man denke an Monsterwellen im Ozean). Bei genauerem Hinsehen entdeckt man, daß der Treffort der Wellen zwischen Projektion und Rekonstruktion lokal variiert: Kein Wunder, erzeugt doch die Projektion das spiegelverkehrte Bild der Rekonstruktion.

Durch die gewählte Multiplikation im I² codieren je drei Wellen die Belichtung eines Bildpunktes. Nur dort, wo alle drei Amplituden verschieden von Null sind, entsteht ein von Null verschiedenes Produkt der Multiplikation. Die zeitliche Ankunft der Wellen codiert damit den Ort des Bildpunkts. Die unter den Bildern liegende Scilab-Quelle generiert Wellenfeld und Interferenzintegral.

Im Detail betrachte man auch Simulationen auf den historischen Seiten (german / english), speziell diese (german / english).

Zweidimensionale Wellen bei sinoidaler Erregung - Aliasing

Bild 2: Wellenfeld (links) und summatives Interferenzintegral (rechts) bei sinoidaler Erregung. Statt dreier Pulswellen vom Gauss-Typ werden hier drei Sinuswellen verwendet.

Bei der Ausbildung von Interferenzintegralen existiert ein bester und ein schlechtester Fall, gekennzeichnet durch Pulswelle contra Sinus. Tauschen wir die Pulswellen von Bild 1 durch Sinuswellen aus, verschwindet die Möglichkeit einer Projektion eines Abbildes. Erst durch Hinzunahme vieler weiterer Kanäle (Thema Überbestimmtheit der Abbildung) läßt sich wieder eine Kartierung erreichen. So ist es zu erklären, daß akustische Kameras erst mit mehr als 16 Kanälen brauchbare Bilder realer, sinusartiger Schallquellen liefern.
Eine minimale Anzahl von Kanälen k = d+1 (d als Raumdimension: hier ist k = 3, d = 2) liefert nur mit pulsförmigen Wellen ein Ergebnis ohne Aliasing.
Weil jeder Wellenberg auf jedem Kanal mit jedem Wellenberg eines anderen Kanals interferiert, wird der Ort der Selbstinterferenz ebenso stark "beleuchtet", wie alle Orte einer Fremdinterferenz. Zu Selbstinterferenz und Fremdinterferenz siehe z.B. das Ilmenau-Paper (deutsch), (english).

Zweidimensionale Wellen im nicht-euklidischen Raum

Bild 3: Wellenfeld (links) und multiplikatives Interferenzintegral (rechts) der Ausbreitung dreier Rechteckwellen in einem nicht-eklidischen Rauum auf einem Integrated Circuit (IC). Der Interferenzort im rechten Bild markiert die Gleichzeitigkeit der Ankunft der drei Signale.

Intuitiv gehen wir stets von einem euklidischen Abstandsmaß im dreidimensionale Raum und von Kugelwellen aus:

Beim Design integrierter Schaltkreise (IC) werden Leitbahnen aber nahezu ausschließlich in x- oder y- Richtung verlegt. Der Abstand r zweier Punkte ist in diesem orthogonalen, nicht-euklidischen Raum der Betrag der Entfernungen in x-, y- und z-Richtung (beim IC ist δz = 0). Wegen der rechteckigen Anordnung der Straßen scheint der Begriff Manhattan-Raum geeignet:

Entsprechend verändert sich das Wellenfeld: es wird eckig. Halten wir das Wellenfeld kurz an, so haben alle Punkte einer Welle den gleichen Abstand (hier orthogonal gemessen) zu deren Quellort. Suchen wir nun einen Ort, an welchem alle drei Wellen (das könnten auch Taxis in Manhatten sein) gleichzeitig ankommen, so genügt ein Blick in das Interferenzintegral (rechts). Dort wurden die einzelnen Wellen multipliziert. Da hier jede einen Wertebereich zwischen 0...1 bekam, entsteht im Produktfeld nur dort ein von Null verschiedener Wert, wo alle Wellen zeitgleich ankommen. Zeitliche Integration (Aufsummation) über das Produktfeld liefert das Interferenzintegral (I²). Man schaue sich Details in der Scilab-Quelle unter dem Wellenfeld an.

Schwellwertbildung ohne Integration

Die Scilab-Quelle wurde aus Rechenzeitgründen umgestellt. Im ersten Schritt werden die Verzögerungsmasken berechnet (leider wird der Code damit nicht besser lesbar).


Bild 4: Wellenfeld (links) und Schwellwertfeld (rechts). Hier wurde auf die Integration der Pixelwerte verzichtet. Schwellwerte zeigen an, wo sich zwei oder drei Wellen treffen. Es ist zu erkennen, daß nur wenige Orte erregt werden können, die Adresse der Interferenzorte liegt im zeitlichen Code. Gelb sind die von der Interferenz zweier Wellen getroffenenen Orte dargestellt, rotbraun ist kurz eine dreifache Interferenz zu erkennen.

Nervenzellen haben ähnliche Eigenschaften, auch sie verzögern und integrieren. Der Film zeigt, daß nervliche Interferenzorte keineswegs eine Frage des Glaubens sind. Unter Biologen und Neurowissenschaftlern war dies lange umstritten. So schrieb Andrew Packard noch 2006 auf die Frage nach Konishis Artikel zur Schallokalisation der Schleiereule:

Wellenfeld mit (Pseudo-) Refraktärphase

Bild 5: Zweikanaliges Wellenfeld links und Wellenfeld mit Refraktärphase rechts. Wellenauslöschung (tiefblau) wurde als erstes am Ischiasnerv beobachtet. Erregt man ihn rechts und links gleichzeitig, kommt an keiner Seite ein Puls an. Die Pulse fressen sich gegenseitig auf. Im Zweidimensionalen bezeichnete Beurle diesen Effekt 1956 visionär als "Grassfire". Hinter der Feuerwalze ist kein Brennstoff mehr vorhanden. Hier eine bescheidene Simulation des Effekts (noch mit Artefakten, eigentlich müßte das rechte Feld zum Schluß geschlossen tiefblau erscheinen).

Was könnte der Effekt bedeuten? Wenn wir an Fremdinterferenzen im Nervensystem denken, so verschwinden Fremdinterferenzen aus diesen zum großen Teil, der Fremdinterferenzradius erhöht sich. Wenn wir an konkurierende Kommunikation denken, dann erreicht nur ein Neuron das Ziel, das beständiger feuert. Auch wird durch den Effekt die Feuerrate in Nervennetzen reduziert.

Hochkanaliges Wellenfeld und I²

Bild 6: Zweidimensionales, 30-kanaliges Wellenfeld als (Interferenzprojektion) berechnet. Hier wurde die Bildfolge der Rekonstruktion zeitlich invertiert.

Treffen Wellen aus vielen Quellorten zusammen, so entstehen Interferenzbilder mit nahezu optischen Qualitäten. Um den Film abzukürzen, sind die Zeitfunktionen komprimiert. Bei der Synthese (PSI-Tools 09/1995) wurde nicht gewartet, bis das Feld wieder frei von Wellen ist, ehe die nächste Welle losgeschickt wurde (Wirkungen: kurze Refrakterität, hoher Aliasinganteil). Zum Ende erkennt man kurz das erzeugte Bild: "GFaI". Dieser Film brauchte damals mehrere Tage Rechenzeit auf einem Pentium.

Der Film ist eigentlich das Wellenfeld. Integriert man dieses Wellenfeld pro Pixel aber nur über je ein Sample (garnicht), so entsteht ein Interferenzintegral-Film mit der Auflösung der Samplerate. Wellenfeld und Interferenzintegral sind folglich nicht grundlegend verschieden (Quelle).


Bild 7: Interferenzintegral zu Bild 6. Hier wurde über die gesamte Laufzeit integriert. Es wurde eine gestufte Grauwert- Farbtabelle in Pseudo-3d-Darstellung benutzt (Quelle).

Hinweis: Nur die Interferenz zweier Kanäle läßt sich mathematisch-analytisch in dieser einfachen Form ausdrücken. Sind Interferenzintegrale von mehr als zwei Kanälen zu berechnen, so sind andere Verfahren erforderlich. Für die akustische Photo- und Kinematographie (akustische Kamera) wie auch bei der neurologischen Auswertung von Spike-Mustern wird der Maskenalgorithmus eingesetzt - zu finden in Animationen, bei der akustischen Kamera oder in Lectures wie hier.


Bild 8: Wellenfeld aufgenommen mit dem Kalibriertester "Klicker" der "Akustischen Kamera" 1999. Der eingebaute Lautsprecher gibt einen Klick ab, dessen Wellenfeld hier rekonstruiert wird.

Erregungswellen eines biologischen Interferenznetzwerkes

Bild 9: Andrew Packard machte 1995 bei Experimenten mit Tintenfischen (Squids) eine hochbrisante Entdeckung zum Verständnis des Nervensystems. Eine Entdeckung, deren Tragweite die wenigsten erahnen. Er zeigte, daß berechenbare Wellen in Interferenznetzen tatsächlich im Tierexperiment zu beobachten sind.

Bei Tintenfischen mit einseitig durchtrenntem Rückenmark bilden sich für einige Stunden spontane Erregungsmuster auf der Haut aus, siehe Movie. Die Farbzellen (Chromatophoren) der Tintenfische, die normalerweise zur Erzeugung von Tarnmustern dienen, zeigen spontane Erregung und wellenförmige Erregungsausbreitung.

Wenn wir genau hinsehen, erkennen wir einzelne, diskrete Punkte (Chromatophoren), die jeder für sich die Farbe ändern. Zwischen diesen findet eine ionische, extrem langsame Erregungsweiterleitung nicht-elektrischer Art statt, wir sprechen umgangsspachlich von nervlicher Weiterleitung. (Im Gegensatz dazu ist die elektrische Leitung der Haut um mehr als sechs Zehnerpotenzen schneller, sie wäre erst im Femtosekundenbereich nachweisbar).

In der Abstraktion erkennen wir Erregungsausbreitung in einem lebenden Nervennetz oder Interferenznetzwerk. Das sind Netze, deren Leitbahnen keine Knotenabstraktion* besitzen. Wie in Nervennetzen wird ein Signal bei jedem noch so geringen Ortswechsel proportional zur Weglänge verzögert. Bei Interferenznetzen sei eine Zeitfunktionsabstraktion** gestattet: Eine in eine Leitbahn einfließende Zeitfunktion komme andernorts in identischer Form, nur i.a. verzögert, wieder heraus. Feldtheoretisch handelt es sich bei IN um i.a. diskrete Wellenausbreitungen mit stückweise konstanten Geschwindigkeiten.

Hinterfragt man Andrews Beobachtung mit der Theorie der Interferenznetze, so zeigt sich ein spannender Aspekt. Die verschiedenen Filme zeigen Wellen, die in verschiedene Richtungen laufen. Auch kann man farblich verschiedene Wellen (gelb, rötlich, bläulich, hier nicht zu erkennen) studieren, die unabhängig von den schwarzen Wellen laufen. Dies impliziert mehrere homogene, nicht wechselwirkende Interferenznetze unter der Haut.

Warum zeigen sich auf diesen homogenen Netzen aber Wellen? Offenbar, weil die refraktive Auslöschung (bekannt vom Ischiasnerv) auch hier wirkt. Erregungen können nicht seitlich von der Welle fliehen, sondern nur nach vorn - damit entsteht erst die Welle. In Summe können wir in der Simulation abstrahieren**. Dies ist extrem bedeutsam, eröffnet es uns doch die vereinfachte Möglichkeit globaler statt lokaler Simulationen.

Würdigen wir heute Luigi Galvani's Froschexperimente, so sollten wir uns auch der Tragweite der Entdeckung von Andrew Packard - der Farbwellen auf Tintenfischen - bewußt werden: Hier können Eigenschaften eines kompletten Interferenznetzes real studiert werden - ohne simulative Annahmen. Andrew Packard ist nicht mehr der Jüngste. Es wäre an der Zeit, auch diese großartige Entdeckung noch zu Lebzeiten zu würdigen. Wenigstens wurde ein antarktischer Gletscher (Packard Glacier) schon nach ihm benannt in Anerkennung der Tatsache, daß er vorschlug, dort nach Leben zu suchen. Und er fand lebende Organismen im ewigen Eis.

______________

* Knotenabstraktion: in der Elektrik und Elektronik oder bei ANN (Artifical Neural Nets) gebräuchliche Methode, bei der Leitbahnen als Knoten betrachtet werden. Eine Leitbahn hat dabei z.B. zu einem Zeitpunkt an allen Stellen das gleiche Potential.

** Zeitfunktionsabstraktion: Reale Nervennetze können nur mit verteilten Parametern simuliert werden. Damit ist eine Simulation auf kleine Neuronengruppen begrenzt (Software: z.B. "Neuron"). Abstrahieren wir, daß die Pulsamplitude auf Nerven immer etwa konstant bleibt, können wir viel Rechenzeit sparen und entsprechend größere Netzwerke berechnen. Letztlich sind dazu nur Zeitfunktionen (Wellen) zu verschieben. Erst diese Abstraktion erlaubte die vielen Entdeckungen in der Theorie der Interferenznetzwerke.



Zu den Scilab-Quellen der GIF-Animationen

Unter den GIF-Animationen befinden sich die Scilab-Quellen. Die Scilab-Files erzeugen jeweils eine Bildserie im GIF-Format. Diese kann mit herkömmlichen GIF-Animationsprogrammen, z.B. mit Psynetic gif-X zu einem Movie-GIF zusammengebunden werden.

Der Aufbau der Scilab-Programme ist ähnlich. Für jeden x-Bereich wird eine Schleife über alle vt durchlaufen. Jedes Ausgabe-Bild wird als separater File in einem Unterverzeichnis ...\test abgelegt. Damit die Bilder sortiert vorliegen, beginnen sie mit dem Index 1000 im Filenamen. Für längere Movies Indexzähler i erhöhen.

Achtung: Auch Scilab unterliegt beständigem Wandel. Sollte eine höhere Release von Scilab nicht funktionieren, bitte die Version 3.1.1 installieren oder die Quellen konvertieren.

Bitte die Quellenangabe www.gheinz.de nicht vergessen.

Scilab-Source des Wellen-Bildes im Vorwort und Wellen-Bild



Powerpoint-Bilder/Animationen für Interferenznetze/Wellen

Die Zusammenstellung enthält Animationen, die in jeder Form nichtkommerziell genutzt werden können, vorausgesetzt, die Quelle ist deutlich gekennzeichnet (Minimum: www.gheinz.de). Historisch erste Belege finden sich im GFaI Jahresbericht 1994. Für Lehrzwecke können auch die Powerpoint-Animationen genutzt werden.




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