Thüringer Museum für Elektrotechnik e.V.
Quelle: ON.LINE Ausgabe 13/2023 - ON.LINE-13.2023.pdf
vom 7.7.2023, S.11-19




Die Entwicklung der Schaltkreise U809 und U840 für die Vermittlungstechnik -
Ein Beitrag zur Geschichte der Mikroelektronik in Thüringen

Ulrich Liebold, Erfurt

Integrierte Schaltkreise, für die es keine westlichen Vergleichsmuster gab

Die Entwicklung des Integrierten Schaltkreises (IC) U809 war eine Aufgabe, die sich 1979 im VEB Fernmeldewerk Arnstadt (FMA), einem exportstarken Hersteller von Telefonvermittlungstechnik, aus einem allen Bauelemente-Anwendern der DDR gut bekannten Dilemma ergab: Notwendige mikroelektronische Schaltkreise waren, wenn überhaupt, nur unter Einsatz von westlichen Währungen, einem ewig knappen Gut, zu beschaffen, was durch die Embargopolitik des Westens und die mangelnde Kooperationswilligkeit "befreundeter" Staaten des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) zusätzlich erschwert wurde.

Technologietransfer fand nur auf halblegale und oft sehr bruchstückhafte Weise statt und die benötigten Materialien für die Produktion von Eigenentwicklungen waren immer extrem knapp. Andererseits musste die DDR dringend Güter in international akzeptierter Qualität exportieren, um Valuta zu erwirtschaften. Das war spätestens seit Ende der 60er Jahre ohne eine leistungsfähige Halbleiterindustrie nicht mehr möglich. "Am 26. Juni 1979 beschloss das Politbüro der SED [daher] eine `langfristige Konzeption zur beschleunigten Entwicklung und Anwendung der Mikroelektronik in der Volkswirtschaft der DDR‘. Dieser Beschluss war immer noch von der Hoffnung geprägt, den Rückstand zu den führenden Ländern der Welt spürbar verringern zu können. Punktuell gelang das auch" [1].

Im VEB Fernmeldewerk Arnstadt trug dazu ein junger Mann bei, der als Absolvent der Technischen Hochschule Ilmenau, Sektion Informationstechnik und Theoretische Elektrotechnik (INTET), gut ausgebildet war und mit großer persönlicher Motivation 1979 hier Gerhard Fleischmann erinnert sich: "Meine erste Tätigkeit zur Einarbeitung im Messgerätebau FMA war 1979 die Entwicklung eines Prüfgerätes auf Basis von Flachrelais 48 zum Prüfen einer Komponente der Automatischen Telefonzentrale ATZ65. Dies war eine der gerade anstehenden Aufgaben im Alltag des Messgerätebaus, bedeutete aber gegenüber unserer Ausbildung an der TH Ilmenau einen Sprung zurück in den Stand der Technik der 60er Jahre.

Die zweite Aufgabe war die Entwicklung einer Logik-Schaltung mit TTL-Schaltkreisen und entsprach der Ausbildung an der THI. Im Dezember 1979 gab es in den Bereichen Entwicklung und Messgerätebau des FMA einen betriebsinternen Aufruf, sich für die Entwicklung eines mikroelektronischen Schaltkreises zu bewerben, der einen Teil der materialintensiven Flachrelais 48 in der ATZ65 ersetzen sollte" [2]. Materialmangel war, wie oben schon erwähnt, ein Problem, das nahezu jede wirtschaftliche Einheit der DDR unentwegt beschäftigte. In der Nachrichtentechnik wog dieses Problem umso schwerer, als es bei den Relais der Vermittlungstechnik auch um seltene Edelmetalle ging.


Bild: Flachrelais 48 für den Einsatz in der Automatischen Telefonzentrale ATZ65, Quelle: Thüringer Museum für Elektrotechnik Erfurt e.V.

Dazu schreibt Gerd Heinz, ein früherer Mitarbeiter des Institutes für Nachrichtentechnik Berlin (INT), auf seiner Webseite zur Digitalsierung des Telefons: "Außer Braunkohle, Salz und Uran besaß die DDR kaum Rohstoffe. Die Wirtschaft war in hohem Maße importabhängig. Im Verhältnis zu einer elektronischen Zentrale wog eine mit Relais arbeitende etwa zehn bis zwanzigmal so viel pro Teilnehmer. Ein Großteil des Gewichts der Relaisspulen steckt im Kupfer der Spule. Aber besonders Edelmetalle für die Relaiskontakte bereiteten in der DDR große Probleme. Auch ist die Verlustleistung von Relais um ein vielfaches höher als die von Transistoren. Somit schien der Übergang zur elektronischen Vermittlungstechnik unvermeidlich. Gewichtseinsparungen wurden in der Nachrichtentechnik weltweit in Etappen realisiert, vom Hebdrehwähler auf Koordinatenschalter auf Reedkontakte auf Transistorschalter. Nur kann man Transistoren nicht als direkten Ersatz für Relais nutzen. Vorab hat man das Analogsignal zu digitalisieren" [3].

Ein Kollege Gerhard Fleischmanns, Hans-Günter Rittermann, "hatte an einem neuen postgradualen 2-jährigen Mikroelektronik-Sonderstudium an der TU Dresden teilgenommen, und man suchte nun für die anstehenden Arbeiten einen weiteren Mitarbeiter. Ich [Gerhard Fleischmann] fand diesen Plan technisch interessant und anspruchsvoll, bewarb mich, wurde nach einem Vorstellungsgespräch angenommen und wechselte im Januar 1980 für diese neue Aufgabe in das Organisations- und Rechenzentrum (ORZ) des FMA. Hans-Günter Rittermann übergab mir Unterlagen von seinem Mikroelektronik-Sonderstudium und erklärte sie mir" [2].


Bild: Entwicklerkollektiv des Schaltkreises U809M - von links nach rechts: hinten Gerhard Fleischmann, Gert Kloock und Klaus Wiegel; vorn Hans-Günter Rittermann und Ekkehart Becker Quelle: "Erster Kundenschaltkreis übergeben". dfw aktuell - Betriebszeitung des VEB Fernmeldewerks Arnstadt, 1981.

Entwurf der anwendungsspezifischen integrierten Schaltung

"Der erste Schritt der Entwicklung des anwendungsspezifischen mikroelektronischen Schaltkreises war die Ausarbeitung eines Pflichtenheftes. Die Komponenten der ATZ65 waren vorgegeben, in denen die Flachrelais 48 ersetzt werden konnten und sollten. Wir analysierten die ATZ65 Relais-Schaltungen sowie die zugehörigen sogenannten Wirkpläne, die die ATZ65-internen Signalkennzeichen sowie die Schaltreihenfolge und notwendigen Schaltverzögerungen der Relais-Schaltungen darstellten, und formulierten entsprechend den funktionellen Analyseergebnissen die Aufgabenstellungen für den System-Entwurf.

Das Pflichtenheft enthielt im Ergebnis eine kurze prinzipielle Blockbeschreibung der zu ersetzenden ATZ65 Relais-Komponenten, eine Liste ihrer primären SignalEin und -Ausgänge, eine Liste und Beschreibung der für diese Signale gültigen ATZ65 internen digitalen Steuerkennzeichen einschließlich der jeweils definierten Kennzeichen bzw. Impuls-Dauer und erlaubten Toleranzen im ms-Bereich sowie ein erstes grobes internes Blockschaltbild des zu entwickelnden Schaltkreises. Primäre Ein- und Ausgangs-Signalspannungspegel wurden noch nicht definiert, denn die zu verwendende Mikroelektronik-Technologie war im FMA noch unbekannt.

Im zweiten Schritt, dem Schaltkreis- Systementwurf, wurden die internen Funktionsblöcke und ihre Ein-Ausgangssignale definiert. Im nachfolgenden dritten Schritt, dem Logik-Entwurf, wurde die Logik-Schaltung jedes Funktionsblockes ausgearbeitet und das interne Blockschaltbild modifiziert und verfeinert" [2].

Die entwickelten Logik-Schaltungen des zukünftigen mikroelektronischen Schaltkreises mussten anschließend im Verbund überprüft werden, um die korrekte Gesamtfunktion entsprechend dem Pflichtenheft zu gewährleisten. Gerhard Fleischmann führt dazu aus: "Eine manuelle Überprüfung der Korrektheit der Logik-Schaltung war nicht möglich und sinnvoll, und der Aufbau dieser Logik auf einer Leiterplatten-Testschaltung mit elektronischen Standard TTL-Schaltkreisen wäre zu komplex und zu zeitaufwendig gewesen.

In dieser kritischen Situation halfen Hans-Günter Rittermanns Kontakte zu Kollegen des INT Berlin, dem Forschungszentrum des VEB Kombinats Nachrichtenelektronik, die ebenfalls an dem Mikroelektronik- Sonderstudium an der TU Dresden teilgenommen hatten. So erhielten wir vom INT das Logiksimulationsprogramm SIMPER, das, wie sich herausstellte, die entscheidende Hilfe bei der Logik-Verifizierung, Fehlersuche und Fehlerbeseitigung war" [2].

SIMPER war zum Ende der 70er Jahre der leistungsfähigste Logiksimulator in der DDR und wurde auf einem Großrechner IBM 360/40 im Organisations- und Rechenzentrum (ORZ) des Bauwesens entwickelt. Später wurde der hauseigene Robotron ESER 1040 (Nachbau des IBM 360) genutzt. Erste Logikmodelle zur Schaltkreissimulation stammten vom INT Mitarbeiter Gerd Heinz [4].

Zusammenarbeit mit dem Funkwerk Erfurt

Alle, die je in der von Mangelzuständen geplagten DDR-Industrie in Forschung und Entwicklung gearbeitet haben, können nachvollziehen (und sicher nicht nur intellektuell, sondern auch emotional), wie wesentlich und hilfreich die Bereitschaft von Kollegen anderer Einrichtungen als der eigenen war, Wissen und Erkenntnisse zu teilen, Erfahrungen über Erfolge und Rückschläge zu vermitteln und bei der Arbeit entdeckte Tipps und Kniffe zu "verraten".

Den meisten Kollegen war bewusst, dass sie bei dem sporadischen und nicht planbaren Auftauchen von sogenannten "Fremdmustern" aus der technologisch weiter entwickelten westlichen Halbleiterfertigung und dem stark limitierten Zugang zu entsprechender Literatur angewiesen waren auf einen solidarischen Umgang Der weitere Entwurfsprozess der integrierten Schaltung des FMA mit den Phasen elektrischer Schaltungsentwurf, Netzwerksimulation, topologischer Entwurf (Layout-Erstellung) und Rechnerbearbeitung des Layouts erfolgte tatsächlich in enger Zusammenarbeit mit dem VEB Funkwerk Erfurt (FWE).

Dieser Betrieb verfügte über umfangreiche technische und personelle Ressourcen für den Schaltkreisentwurf bis hin zur technologischen Basis für die Fertigung mikroelektronischer Schaltkreise und spielte auch nach der Gründung des "Kombinats Mikroelektronik" am 1. Januar 1978 als Stammbetrieb eine dominierende Rolle. Zu den wichtigsten Fertigungsstätten des Kombinats gehörten neben dem Funkwerk Erfurt (FWE) das Halbleiterwerk Frankfurt/Oder (HFO) und das Zentrum für Forschung und Technologie Mikroelektronik (ZFTM) Dresden.

Gerhard Fleischmann schreibt: "Zum Abschluss des Logikentwurfs organisierte unser Direktor, Heinz Walther, einen Termin im MME [Funkwerk Erfurt, dem späteren VEB Mikroelektronik "Karl Marx" Erfurt]. Unser erster MME-Kontakt war Dr. Franz Rößler. Wir erzählten ihm den Grund und [...] Werdegang der bisherigen Schaltkreisentwicklung im FMA und übergaben ihm die Kopien der manuell gezeichneten Logikschaltpläne und die SIMPER-Simulationsergebnisse zur Bewertung. Nach ca. einer Woche wurden wir wieder in das MME eingeladen, und Franz Rößler sicherte uns seine fachliche Unterstützung zu. Er wählte für unser Projekt eine im MME entwickelte produktionsreife 9 µm p-Kanal Enhancement-Transistor Silicongate Technologie (pSGT) mit -14 V Versorgungsspannung.

Er übergab uns eine Mappe mit pSGT Technologie-Unterlagen, mit Entwurfsregeln und elektrischen Parametern, erklärte uns die technologieabhängigen Transistorschaltungen der von uns benutzten Logik-Gatter und zeigte uns die Layout- Arbeitsweise im MME: Manuelle Zeichnung der Layout-Topologie mit Buntstiften auf Millimeterpapier-Rollen und Teilen im Maßstab 1000:1. Jede Technologie-Maske der pSGT hatte eine festgelegte Farbe" [2].

Gerhard Fleischmann: "Franz Rößler unterstützte uns mit seinem hohen Fachwissen, reichen Erfahrungen und gab uns sehr nützliche Hinweise zu einem synchronen digitalen Design und zur Vermeidung von Signalwettläufen, was manchmal zu nachträglichen Änderungen und Optimierungen der Logik [und der] Transistorschaltungen bzw. Layout-Strukturen führte. Im Prinzip durchliefen wir bei Franz Rößler anhand des FMA-Schaltkreisentwurfs einen wertvollen Lehrgang zur Arbeitsweise in der Mikroelektronik, zu uns vorher unbekannten mikroelektronischen Details und Zusammenhängen und mussten auch lernen, Entwicklungsiterationen [d.h. Wiederholungen] zur Vermeidung eventueller Fehlfunktionen und zur Reduzierung von Risiken zu akzeptieren. Franz Rößler beeindruckte uns mit seinem Enthusiasmus und Engagement für die Mikroelektronik und seiner stets freundlichen Art gegenüber Kollegen" [2].

Volker Boos, der damals schon im MME als Diplom-Mathematiker tätig war, ergänzt: "Franz war immer enthusiastisch und konnte alle Mitarbeiter für die Ziele begeistern. Probleme versuchte er auf [dem] kurzen Dienstweg umgehend zu lösen." [5]. Und in einem im Mai 1981 entstandenen Artikel der damals führenden Tageszeitung im Bezirk Erfurt "Das Volk" äußerte sich Hans-Günter Rittermann aus Arnstadt so über den Chefentwickler im Bereich Schaltkreisentwurf des Funkwerks: "Es galt schier jede freie Minute freier Kapazität im Funkwerk zu nutzen - und `Lücken‘ fanden sich nicht nur zwischen 7.00 und 17.00 Uhr. Gerade da hatten wir aber in Dr. Franz Rößler einen Klasse-Partner ... Da konnte es Sonntag früh halb zwei sein, wenn wir Probleme hatten - er kam!" [6].

Bei der Komplexität mikroelektronischer Systeme ist es eine enorme Herausforderung, schon im Entwurf Testmechanismen für die fertigen Schaltkreise einzubauen. Anforderungen hinsichtlich der Leistungsfähigkeit, der Chipgröße und auch der Zuverlässigkeit der Schaltungen müssen von Beginn an berücksichtigt und ständig überprüft werden.

Gerhard Fleischmann beschreibt, wie diese Permanentanforderung gemeistert wurde: "Schon beim ersten Treffen sprach Franz Rößler das Problem des Schaltkreis-Tests an: Wegen der MME Produktions- und Entwicklungsprioritäten würde es nicht möglich sein, MME Chip-Testkapazitäten (Tester und Testingenieure) für den zukünftigen FMA-Schaltkreis zu reservieren.

Aber er würde sich darum kümmern, dass wir, wenn es soweit ist, eine Probecard und Zugang zu einem Mikrochip-Prober im MME bekommen. Daher wurde im FMA ein weiterer Kollege, Gert Kloock, für unser Projekt gewonnen, der parallel zur eigentlichen Schaltkreisentwicklung einen Logik- Tester auf Basis eines Robotron K1520 Mikrorechners (U880 CPU und Peripherie-Bausteine) aufbaute. Die K1520 Leiterkarte für den Tester erhielten wir durch persönliche Kontakte des FMA-Kollegen Klaus Wiegel von einem Mitarbeiter im VEB Robotron Elektronik Zella-Mehlis.

Gert Kloock entwickelte eine Adapterkarte zur Ansteuerung des zukünftigen FMA Schaltkreises sowie dem Einlesen der Schaltkreis-Ausgangssignale. Den Logik-Tester programmierte er in U880 Assembler-Sprache. Dazu nutzte er einen von Klaus Wiegel an der TH Ilmenau entwickelten Laboraufbau eines PC auf Basis des U880" [2].

Gerhard Fleischmann: "Nach unserer Endkontrolle der Layout-Zeichnungen im FMA begann die Kooperationsarbeit der Kollegen im MME für die Chip-Fertigung. Die Layout-Strukturen auf den Millimeterpapier- Rollen und -Teilen wurden im MME auf sogenannten Digitalisier- Brettern manuell Punkt für Punkt digitalisiert, um die Daten für die Chip Maskenfertigung zu erhalten. Für die Projektplanung und Logistik im MME erhielt der FMA Schaltkreis die Typbezeichnung U809M. ´M´ entsprach der MME Gehäusenomenklatur für Quad-Inline Plastikgehäuse [QIP]. Der U809 hatte 48 Pins" [2].


Bild: Chipfoto des Schaltkreises U809, Quelle: Kaußler, Richard. "3"-Wafer - U809M - Steuerungs-IC in der Vermittlungszentrale ATZ65". Richi´s Lab, https://www.richis-lab.de/wafer05.htm Zugegriffen 20. April 2023.


Bild: Quad-Inline Plastikgehäuse des Schaltkreises U809M - links Prototype-Version, rechts Serien-Version, Quelle: Kaußler, Richard. "3"-Wafer - U809M - Steuerungs-IC in der Vermittlungszentrale ATZ65". Richi´s Lab, https://www.richis-lab.de/wafer05.htm Zugegriffen 20. April 2023.

Nach der Fertigung werden grundsätzlich alle Chips auf dem noch nicht vereinzelten Silizium-Wafer entsprechend der vorher festgelegten Testanforderungen getestet. Es kann vorkommen, dass die Chips nicht wie geplant funktionieren. In Einzelfällen ist es möglich, Entwurfsfehler nachträglich durch das Focused Ion Beam-Verfahren (FIB) direkt auf dem Chip zu beheben. FIB steht für "fokussierter Ionenstrahl" oder auch "Ionenfeinstrahlanlage".

Gerhard Fleischmann: "Der U809 Tester funktionierte nach kurzer Inbetriebnahmezeit, aber ca. ein Drittel der digitalen U809M Logik nicht. Unsere Fehlersuche auf den Millimeterpapier-Rollen und -Teilen und auf dem Chip unter einem Mikroskop ergab, dass wir trotz mehrfacher Überprüfung den Kontakt am Gate eines pSGT Last-Transistors vergessen hatten. Ich erhielt die Möglichkeit, den fehlenden Kontakt im MME Fehleranalyse-Labor mit Laserstrahlen auf ca. 20 ausgesuchten, teilweise funktionsfähigen Chips einzubrennen.

Ein MME Kollege stellte die Laserstärke ein und empfahl mir fünf verschiedene Belichtungszeiten, denn die Chip-Passivierung musste durchgebrannt werden, der Laserstrahl sollte an der Fehlerstelle das Metall der Signalleitung schmelzen und ein Loch zum darunterliegenden Polysilizium brennen. Da es sich um einen pSGT-Lasttransistor handelte, reichte eine hochohmige Verbindung zwischen Polysilizium und Metall, aber das Loch durfte nicht zu tief bis in das Substrat brennen, um das Substratpotential nicht zu zerstören. Glücklicherweise funktionierten dann 6 der 20 Chips mit allen funktionalen Testpattern. Nach der Chip-Separierung und Verkappung im Quad-Inline Gehäuse konnten wir schließlich vier funktionsfähige U809M Bauelemente an die Kollegen im FMA übergeben, die damit ihre Prototyp-Leiterplatten in der ATZ65 erfolgreich testen konnten. Das MME fertigte eine neue U809 Kontaktmaske an, und die nächsten U809M Prototypen-Bauelemente funktionierten wie erhofft auch in der ATZ65 Vermittlungszentrale" [2].

Die zweite Version des U809M wurde in der ATZ65 des FMA-Anlagenversuchszentrums, im Postamt Leipzig/Leutzsch und in den Ortsvermittlungsstellen 6 und 7 der Deutschen Post in Erfurt erprobt [7].

Kleine Chips ganz groß

Die oben schon erwähnte Seite aus dem "Volk" vom Mai 1981 enthält auch einen Kommentar mit dem Titel "Zug der Zeit": "`Wir wären nicht in dem Tempo vorangekommen, hätte nicht die Zusammenarbeit mit dem Funkwerk Erfurt so prima geklappt‘, sagte uns Günter Rittermann, einer der drei für die Entwicklung eines Fernmeldeschaltkreises verantwortlichen jungen Ingenieure. Ähnliches hörten wir von vielen im Fernmeldewerk. Doch wie kam man zu dieser intensiven Partnerschaft?

Um den höchsten Nutzeffekt in kürzester Zeit geht es. Und das macht notwendig, die Entwicklungszeit eines Tempobeschleunigers für die gesamte Volkswirtschaft zu verkürzen. Beide Partner halten sich dabei an die Maxime: Das Erreichte ist noch nicht das Erreichbare. Deshalb suchen sie nach Möglichkeiten, mehr zu erreichen. Nachdem das Funkwerk bereits seit längerem mikroelektronische Schaltkreise nach speziellen Kundenwünschen entwickelt, sind Hersteller und künftige Anwender einen großen Schritt näher zusammengerückt.

Indem die Anwender nunmehr ihre Schaltkreise selbst vor Ort mitentwickeln, verhelfen sie dem Funkwerk, und sich selbst zu Tempogewinn von beträchtlichem Ausmaß. Neben dem Fernmeldewerk Arnstadt sind noch sieben weitere Betriebe in diesen schnelleren Zug der Zeit gestiegen. Die Arnstädter hätten ohne diese Vorortkooperation damit rechnen müssen, im Funkwerk erst in ein paar Jahren `dran‘ zu sein. Doch so konnten die `Gastarbeiter‘ nach nur einjähriger Entwicklungszeit bereits die Erfolgsmeldung von Erfurt nach Arnstadt übermitteln.



Bilder: Einsatz des Schaltkreises U809M im ATZ65 Empfangssatz S65, Quelle: Fernmeldemuseum Dresden - Interessengemeinschaft Historische Fernmeldetechnik e.V. https://fernmeldemuseum-dresden.de/ Zugegriffen 8. Juni 2023.

Für den Preis der Bahn- oder Busfahrkarten nach Erfurt und zurück ein vorfristiger Nutzen, der in die Millionen geht. Wie die Partnerschaft zwischen den Betrieben auch aussehen mag - ob telefonische Konsultation, Erfahrungsaustausch an Ort und Stelle oder gar gemeinsame Entwicklung - , wo man die Mikroelektronik gemeinsam anpackt, Produzent und Anwender an einem Strang ziehen, wird genau das jetzt Notwendige getan" [6].

Das "Notwendige" war auch im Jahr 1981 immer noch und immer dringlicher, den allgemeinen Mangel an Material und Technologietransfer zu kompensieren. Wie groß der Gewinn im Falle der gemeinsamen Entwicklung von FMA und MME war, zeigte, dass Egon Krenz, damals Chef des DDR-Jugendverbandes FDJ dem Kollektiv "Junger Ingenieure" höchst selbst die Würdigung aussprach.

Gerhard Fleischmann: "Einige Monate später besuchte Egon Krenz das FMA, gratulierte zur Einsparung von Kupfer und Edelmetallen bei der erfolgreichen Rationalisierung der ATZ65 mittels digitaler Elektronik, lobte die gute Zusammenarbeit zwischen FMA und MME bei der Entwicklung eines entsprechenden kundenspezifischen Schaltkreises und dankte im Namen der Staats- und Parteiführung" [2].

Auch die Begeisterung der Zeitungsautoren und -kommentatoren hielt an. Unter dem Titel "Großer Einsatz für kleine Bauelemente" wies Ekkehard Tanzer in seinem Artikel im "Volk" im Mai 1981 darauf hin, dass die Gemeinschaftsentwicklung Arnstadt/Erfurt im Fernmeldewerk monatlich 800.000 Mark einspart [6]. Am 19. Januar 1982 titelte "Das Volk": "Große Aktivitäten für kleine Chips". Es listete die bei Serienfertigung des Schaltkreises voraussichtlichen Einsparungen, bezogen auf ein Jahr, auf: "... eine Arbeitszeiteinsparung von 121.000 Stunden, davon im Fernmeldewerk 78.000 Stunden, Relaiseinsparung von 96.000 Stück, Einsparung bei Kupfer von 5,76 t, bei Kontaktmaterial (Silberpaladium) 21,1 kg, bei Magnetweichweisen von 9,6 t, bei Neusilber von 3,36 t" [8].

Die Lokalausgabe Arnstadt wusste am 23. Januar 1982 zu berichten: "Das überarbeitete Funktionsmuster liegt vor und damit der erste Schaltkreis im Bezirk, der in Partnerschaft mit dem Funkwerk Erfurt entwickelt und gebaut wurde. Noch in diesem Jahr soll er in einen Empfangssatz eingebaut werden. Der Nutzen: Er ist kleiner, leichter und weitaus zuverlässiger als das noch benutzte Flachrelais und hilft, in der benötigten Seriengröße über 120.000 Stunden Arbeitszeit und 3,3 Tonnen Neusilber einzusparen. Eine edle veredelte Sache also." [9].

Die Zeitschrift "Die deutsche Post - Zeitschrift für Post- und Fernmeldewesen" ging in ihrer Ausgabe Nr. 4/1982 ins Detail: "Im Ergebnis des aus dem Planteil Wissenschaft und Technik realisierten Jugendobjektes lassen sich 25 Arbeitskräfte bzw. 50.000 Stunden Arbeitszeit sowie 0,46 t Material einsparen. Der volkswirtschaftliche Nutzen beträgt in einem Jahr mehr als drei Millionen Mark." [10].

Auch die Gewerkschaftszeitung "Tribüne" wies in einem am 8. Januar 1982 gedruckten Interview mit Günter Rittermann auf die Einsparung von 120.000 Stunden Arbeitszeit und 3,3 Tonnen Neusilber hin [11].

Wie viele Leser der genannten Zeitungen die Erfolgsmeldungen damals überhaupt zur Kenntnis nahmen, bleibt ungewiss. Es bleibt auch ungewiss, ob die im Januar 1982 veröffentlichten Zahlen zum voraussichtlichen jährlichen Nutzen beim Einsatz des U809M später auch wirklich erreicht wurden, denn die Serienfertigung des U809M begann erst im Juli 1982.

Aber die Fachleute, die Günter Rittermanns und Gerhard Fleischmanns Vortrag auf dem 10. Halbleiterbauelemente- Symposium 1983 in Frankfurt (Oder) hörten, werden den Angaben zur jährlichen Materialeinsparung bei digitalen Varianten gegenüber den teilelektronischen und elektromechanischen Anlagen ihre volle Aufmerksamkeit geschenkt haben [7].

Innovative Weiterentwicklungen - der U840

Doch wenn die Einsparungen auch offenkundig waren, "... gab es keine konkreten Vorschläge zum Ersatz anderer Relais-Schaltungen in weiteren ATZ65 Komponenten, denn das Kombinat Nachrichtenelektronik konzentrierte sich auf das neuere ENSAD-Vermittlungssystem" [2].

ENSAD steht für einen Telefonie-Vermittlungsrechner zum Einsatz in ländlichen Gebieten der früheren Sowjetunion (Vgl. [12]), also in dünn besiedelten Gegenden, in denen das Telefon große Entfernungen abzudecken hatte. Wenn man bedenkt, dass am Ende der 1970er Jahre (also zu der Zeit, als die Entwicklung des U809M begann) die meisten der im RGW verbundenen Länder etwa 550 km der damals als "Druschba- Trasse" bezeichneten, neu zu bauenden Erdgasleitung logistisch abzusichern hatten, ist es nachvollziehbar, dass das Kombinat Nachrichtenelektronik gehalten war, sich auf dieses System zu konzentrieren.

Gerhard Fleischmann schreibt: "Wir erhielten die Aufgabe, weitere ATZ65 Relais-Schaltungen, nun besonders jedoch auch weitere digitale ENSAD Schaltungen zu analysieren, um daraus entsprechende Konzepte für weitere kundenspezifische Schaltkreis- Entwicklungen abzuleiten, denn der Einsatz eines U880 Prozessors mit U880 Peripherie und Speicher lohnte sich nur ab einer bestimmten Komplexität der entsprechenden ENSAD Karte.

Ich hatte die Idee statt weiterer digitaler kundenspezifischer Schaltkreise für die Vermittlungstechnik das Konzept einer integrierten speicherprogrammierbaren Steuerung (IPS) für digitale Logikverarbeitung zu entwickeln, deren Anzahl von Ein- und Ausgängen entsprechend der unterschiedlichen, zu integrierenden digitalen Schaltungen möglichst einfach erweiterbar sein sollte" [2].


Bild: Chipfoto des Schaltkreises U840 - Version v1 (64 Befehle), Quelle: Kaußler, Richard. 3"-Wafer - U840PC - Mikrocontroller. https://www.richis-lab.de/wafer06.htm. Zugegriffen 20. April 2023. Quelle: Thüringer Museum für Elektrotechnik Erfurt e. V. Quelle: MME


Bild: Plot des Schaltkreises U840 (Entwurfsebenen im Bereich der Bondinseln), Quelle: Thüringer Museum für Elektrotechnik Erfurt e. V.,


Bild: Zwei Gehäuseformen des Schaltkreises U840 - links Quad-Inline Plastikgehäuse U840M und rechts Chip Carrier Plastikgehäuse U840PC, Quelle: MME

Hierbei war auf Initiative Ekkehart Beckers auch die Technische Hochschule Ilmenau (THI), Sektion Technische und Biomedizinische Kybernetik (TBK) beteiligt, die sich schon seit ihrer Gründung 1968 mit solchen Fragestellungen befasst hatte. "Volker Pfeiffer, der in der TBK der THI auf dem Gebiet von speicherprogrammierbaren Steuerungen arbeitete, hatte wesentlichen Einfluss auf den Systementwurf der IPS: Einführung von Befehlen für die direkte Programmierung von BOOLEschen Gleichungen und Programmablaufgraphen zur logischen Bit-Verarbeitung auf Assembler-Niveau, Befehle zur parallelen Abarbeitung verschiedener Prozesse, insgesamt 64 Befehle, zyklische Arbeitsweise mit Master-Slave-Prinzip an den Ein- und Ausgabe-Ports.

Die IPS bekam die Architektur eines 8-Bit Spezialprozessors mit 64 8-Bit Registern, einen 16-Bit Timer, vier 8-Bit Ein-, Ausgabe-Ports, eine serielle bidirektionale Schnittstelle, Pins für externen Interrupt, Bus-Request/Acknowledge. Der adressierbare chipexterne Programmspeicher hatte eine Größe von 4k Byte, auf Kosten von 4 Ein-, Ausgabe-Port-Pins erweiterbar bis zu 64k Byte" [2].

Für Gerhard Fleischmann bedeutete diese Entwicklung einen nicht unbekannten, aber nun verstetigten neuen Arbeitsplatz: "Zur weiteren Bearbeitung dieses Projekts durfte ich meinen Arbeitsplatz vom NEA [VEB Nachrichtenelektronik Arnstadt spätere Bezeichnung des FMA Fernmeldewerks Arnstadt] in Arnstadt in die MME Abteilung Schaltkreisentwurf von Franz Rößler nach Erfurt verlagern, blieb aber Angestellter des NEA. Der IPS-Schaltkreis erhielt die Typ-Bezeichnung U840M, als Technologie wurde die 4,5 µm komplementäre Silicongate Technologie (cSGT4) mit 5V Versorgungsspannung festgelegt.

Die Arbeit in Erfurt war die Grundlage für die weitere Entwicklung des U840M, denn als Mitglied des MME Schaltkreisentwurfs konnte ich nun im MME an den Rechnern PDP11 und VAX arbeiten, die MME Chip-Entwicklungsprogramme nutzen und, was besonders wertvoll war, in täglicher Arbeit mit den MME Schaltkreisentwicklern Details besprechen und aus ihren Erfahrungen lernen. Es war der Arbeitsstil in der Abteilung von Franz Rößler, die Vorgehensweise und alle Arbeitsetappen der Chip-Entwicklungen sowie auftauchende Probleme gemeinsam zu diskutieren und sich daraus ergebende neue Entwurfsmethoden sowie neue Aufgabenstellungen und Details für die MME-interne Schaltkreisentwicklungs-Software abzuleiten. Die Komplexität der Aufgaben führte zwangsläufig zu Spezialisierungen der Kollegen und zur gegenseitigen Hilfe und Beratung bei der Lösung von fachlich kniffligen Fragen und Problemen" [2].

Im Zusammenhang mit den neuen Layout-Arbeiten lernten sich auch Gerhard Fleischmann und Volker Boos näher kennen. Volker Boos war als Diplom- Mathematiker ans Erfurter Funkwerk gekommen. Ein selbstständiges Informatikstudium existiert Ende der 70er Jahre in der DDR noch nicht, das Erlernen und Anwenden von Programmiersprachen war damals noch Teil des Mathematikstudiums.

Im FWE gab es das Stellenangebot "Rechnergestützter Schaltkreisentwurf". [Es] "vereinte meine Interessen an Elektronik, Mathematik und Computertechnik. Die Aufgabe bestand in der Entwicklung von Software zur Automatisierung des mikroelektronischen Schaltungsentwurfs. Damals als CAD (Computer Aided Design), später als EDA (Electronic Design Automation) bezeichnet", erinnert sich Volker Boos [5].

Er entwickelte das PCL (Programmable Cell Layout) Programm, das Gerhard Fleischmann zur Platzierung von Transistoren in zwei PLAs (Programmable Logic Array) Transistoren in seinem neuen Schaltkreis benutzte, und das Programm STICKS. In seinen Erinnerungen schreibt Volker Boos weiter: "Der Layoutentwurf mikroelektronischer Schaltungen ist sehr aufwändig und fehleranfällig. Für jedes Bauelement müssen komplexe geometrische Strukturen für die Fotomasken gezeichnet werden.

Dabei müssen einerseits eine Reihe geometrischer Entwurfsregeln wie Breiten, Abstände und Überlappungen beachtet werden, andererseits ist der Flächenbedarf zu minimieren, da Siliziumfläche teuer ist. Die Methodik von STICKS bestand darin, dass der Entwurfsingenieur das Layout nur skizzenhaft durch Rechtecke und Linien vorgab, die Software generierte daraus die Strukturen für die Bauelemente und deren Verbindungen. Im Anschluss wurde durch einen Kompaktionsalgorithmus das Layout so verdichtet, dass bei Einhaltung aller Entwurfsregeln der Flächenbedarf minimiert wurde. Die Produktivität des Layoutentwurfs konnte so um ein Vielfaches gesteigert werden." [5].

Gerhard Fleischmann ergänzt: "STICKS und MIPRE (Logik-Optimierungsprogramm für PLAs, entwickelt im AdW-ZKI Dresden und auch verwendet für die PLA-Optimierung im U1600 CMOS Standardzellensystem des Forschungszentrums Mikroelektronik Dresden) waren die entscheidenden Programme zur Reduzierung der notwendigen Block-Layout-Flächen des U840M auf eine realistische Chip-Gesamtfläche. STICKS und PCL ermöglichten zusätzlich eine enorme Effektivierung und Verkürzung der Layout-Arbeit" [2].


Bild: Symbolisches Layout (manuelle Eingabe-Daten in das Programm STICKS), Quelle: MME


Bild: Komprimiertes und entwurfsregelgerechtes Layout (generierte Ausgabe- Daten des Programms STICKS), Quelle: MME

Gerhard Fleischmann: "In der Zwischenzeit entschieden Kollegen aus dem VEB Nachrichtenelektronik Greifswald (NEG), den U840 in ihrem PCM Übertragungssystem einzusetzen. Das war erfreulich, denn es steigerte die Bauelemente-Stückzahl. Die U840 Chips wurden für NEG in einem 64poligen Plastik Chip Carrier Gehäuse [PLCC] gefertigt, das für die SMT Fertigung der Leiterplatten erforderlich war.

Die Bauelemente in diesem Gehäuse erhielten die Bezeichnung U840PC. ... Die Entwicklung des U840 war Gegenstand der außerplanmäßigen Aspirantur 1986 - 1989 und Dissertation A von Gerhard Fleischmann an der TU Dresden, und die Entwicklung des Programms STICKS war Gegenstand der außerplanmäßigen Aspirantur 1986 - 1989 und Dissertation A von Volker Boos an der TU Dresden. Die Mentoren für beide waren Prof. Albrecht Möschwitzer und Prof. Franz Rößler.

Bis 1989 wurde eine zweite Version des U840 entwickelt: Der Befehlssatz wurde um fünf Befehle auf 69 Befehle erweitert. Im Frühjahr 1990 standen die getesteten Bauelemente U840PC2, U840M2 zur Verfügung. Die Ausbeute auf den Prototyp-Scheiben betrug 43 %" [2].

Die Wende beendete den laufenden 2.000 Stunden Zuverlässigkeitstest der PCM-Anlage mit U840PC2 im NEG und die Labor-Tests von Leiterplatten mit U840M2 im NEA. Der VEB Fernmeldewerk Arnstadt wurde von Alcatel und der VEB Nachrichtenelektronik Greifswald wurde von Siemens übernommen. Beide Betriebe beendeten ihre Entwicklungen, in denen der U840 verwendet wurde [2].

Geradezu symbolisch verbindet das Datum der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten (der 3. Oktober 1990) sich mit der 4. ITG Fachtagung "Mikroelektronik für die Informationstechnik", die am gleichen Tag in Berlin stattfand. Zu dem, was Gerhard Fleischmann und Frank Krumbein aus dem MME dort präsentierten und was das Ergebnis der langjährigen Arbeit vieler kluger Köpfe war, gab es keine weiteren Anfragen.

Ihr Produkt spielte nun keine Rolle mehr, aber ihr bei dessen Entwicklung gesammeltes Wissen und Know-how war für die Firmen, die nun auf dem ehemaligen DDR-Gebiet ins "Chip-Geschäft" drängten, von großem Wert, denn sie hatten, wie Franz Rößler stellvertretend für viele über Gerhard Fleischmann schrieb, "eine innovative Eigenentwicklung" hervorgebracht, deren Prozessphase aus ihrer ingenieurtechnischen Entwicklung und Lebensleistung nicht zu verdrängen war und ist.

Quellen:

[1] Barkleit, Gerhard. "Mikroelektronik in der DDR SED, Staatsapparat und Staatssicherheit im Wettstreit der Systeme". Herausgegeben vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e. V. an der Technischen Universität Dresden, 2000.

[2] Fleischmann, Gerhard. Persönliche Erinnerungen. 2022.

[3] Heinz, Gerd. Digitalisierung des Telefons: Erste Schaltkreise aus Ost-Berlin. 13. März 2023, (Link)

[4] Heinz, Gerd. Vom Beginn des Schaltkreisentwurfs im INT. 13. März 2023, (Link)

[5] Boos, Volker. Persönliche Erinnerungen. 2022

[6] Tanzer, Ekkehard. "Großer Einsatz für kleine Bauelemente". Das Volk. Mai 1981

[7] Rittermann, Hans-Günter; Fleischmann, Gerhard. "Materialökonomische Effekte beim Einsatz der IS U809M". 10. Halbleiterbauelemente-Symposium, 1983, S. 297-304

[8] "Große Aktivitäten für kleine Chips". Das Volk, 19. Januar 1982

[9] Grosser, Dietmar. "`Könnte‘ gilt nicht - `Machen‘ ist gefragt!" Das Volk, 23. Januar 1982

[10] Die deutsche Post - Zeitschrift für Post- und Fernmeldewesen. 1982

[11] Kirnich, Peter. "Aus MMM-Gründen zwei Betriebsausweise". Tribüne, Januar 1982

[12] "Steuerkomplex SK ENSAD". Betriebsgeschichte ROBOTRON Radeberg, 13. April 2023, (Link)

Abkürzungen:

U809M Kundenspezifischer Schaltkreis für den Einsatz in der Automatischen Telefonzentrale ATZ 65, Quad-Inline Plastikgehäuse

U840M Spezialprozessor für binäre speicherprogrammierbare Steuerungen für den Einsatz in der Nachrichtenelektronik, Quad-Inline Plastikgehäuse

U840PC Spezialprozessor für binäre speicherprogrammierbare Steuerungen für den Einsatz in PCM-Übertragungssystemen, Chip Carrier Plastikgehäuse

ATZ Automatische Telefonzentrale

cSGT komplementäre (CMOS) Silicongate Technologie

EDA Electronic Design Automation

ENSAD Vermittlungssystem

FMA VEB Fernmeldewerk Arnstadt, später NEA VEB Nachrichtenelektronik Arnstadt

FWE VEB Funkwerk Erfurt, später MME VEB Mikroelektronik "Karl Marx" Erfurt

INT Institut für Nachrichtentechnik Berlin

IPS Integrierte Speicherprogrammierbare Steuerung

SIMPER Logiksimulationsprogramm

MIPRE Logik-Optimierungsprogramm für PLAs des AdW-ZKI Dresden

MME VEB Mikroelektronik "Karl Marx" Erfurt, früher FWE VEB Funkwerk Erfurt

NEA VEB Nachrichtenelektronik Arnstadt, früher FMA

VEB Fernmeldewerk Arnstadt

NEG VEB Nachrichtenelektronik Greifswald

PCL Programmable Cell Layout

PCM Puls-Code-Modulation (Verfahren zur Umsetzung eines analogen Signals in ein zeit- und wertdiskretes digitales Signal)

PLA Programmable Logic Array

PLCC Plastic Leaded Chip Carrier

pSGT p-Kanal Silicongate Technologie

QIP Quad in-line package

SMT Surface-mounting technology (Technologie, bei der SMD oberflächenmontierte Bauelemente für die Herstellung von Miniatur-Leiterplatten verwendet werden)

STICKS Programm zur grafischen Eingabe symbolischer Layout-Zell-Topologie





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